Architektur im Luitpoldblock – Das Cafe Luitpold im Wandel

Als eigentümergeführtes Familienunternehmen pflegen wir ein anderes Verhältnis zur inhaltlichen wie ökonomischen Weiterentwicklung unseres Hauses. Wir wissen, dass die Anforderungen unserer Mieter sorgfältig und umgehend zu bearbeiten sind. Wir wissen aber auch, dass ein langfristiges Denken notwendig ist, um den Luitpoldblock in seiner Gesamtheit beständig und nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir nehmen uns diese Zeit und wir geben diese Zeit, wenn es der Qualitätssicherung dient. Oberstes Ziel ist es, untereinander und gegenüber Dritten eine verlässliche Verbindlichkeit zu leben.

Ein Kaffeehaus – kann das im 21. Jahrhundert überhaupt noch funktionieren? Aber ja. Gerade in dieser schnelllebigen Zeit braucht es Haltestellen, Orte der Muße, wo Menschen sich niederlassen können, ihren Gedanken nachhängen, in einer Zeitung blättern, einen Cappuccino trinken – bevor sie wieder vom Termindruck des alltäglichen Wahnsinns eingeholt werden.

Nicht von ungefähr hat sich das Kaffeehaus als Institution ausgerechnet im 19. Jahrhundert durchgesetzt, in Zeiten der Industrialisierung, die dafür gesorgt hat, dass der Mensch nicht mehr dem eigenen Rhythmus, sondern dem Takt von Maschinen zu folgen hatte. Eine Fremdbestimmung, die besonders für genussfreudige Bayern nur schwer zu ertragen war, weshalb sie diesem Missstand in regelmäßigen Abständen und mit aller Entschiedenheit eine Kaffeepause entgegensetzten, seit 1888 mit großer Begeisterung im Münchner Café Luitpold.

Selbstverständlich gilt das auch heute noch. Wie aber muss ein Kaffeehaus aussehen, das den hohen Ansprüchen einer traditionsbewussten und zugleich aufgeschlossenen und weltgewandten Großstadtklientel gerecht wird?

Vor dieser Frage standen die Münchner Architekten Bernhard Demmel und Gerald Hadler, als sie sich im Jahr 2008 dem Wettbewerb um die Neugestaltung des Café Luitpold stellten. Wahrlich keine einfache Aufgabe, handelt es sich beim Luitpold doch um eine Münchner Institution mit einer ebenso aufregenden wie wechselhaften Baugeschichte.

Es ist Baumeister Otto Lasne, der den schlichten, klassizistischen Gebäudekomplex – 1810 im damals noch dünn besiedelten Gebiet außerhalb der alten Stadtmauer von Hofmaurermeister Joseph Deigelmayr errichtet – im pompösen Stil der Gründerzeit umgestaltet. Hier soll Europas größtes und spektakulärstes Kaffeehaus untergebracht werden. Der 3000 Quadratmeter große Grundriss bleibt erhalten, doch stockt Lasne das Bauwerk auf und versieht es mit vier gedrungenen Ecktürmen, auf deren Spitzen er kupferne Figuren postiert – Allegorien von Wissenschaft und Kunst, Handel und Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft. Die glatte Außenhaut verkleidet er mit einer plastischen Neorenaissancefassade. Der offene Innenhof wird überdacht. Dadurch entsteht zusätzlicher Raum für den Kuppelsaal und den Säulengang, den der Architekt für das Café geplant hat. Nach zwei Jahren Bauzeit ist es so weit. 1888 öffnet das Café Luitpold seine Pforten. Und beeindruckt, wie vorgesehen, die Gäste.

Den Auftakt bildet ein holzgetäfeltes Vestibül, in dem man seine Garderobe abgeben kann. Das Entrée geht in einen imposanten Kuppelbau über, gefolgt von einem mächtigen dreischiffigen Säulengang, danach ein Spiegelsaal. Insgesamt sind die drei Säle von 38 Säulen getragen und durch 42 Pilaster gegliedert. Alles ist reich geschmückt mit allegorischen Darstellungen zart geflügelter Elfen, antiker Götter und pausbäckiger Putten. Skulpturen und Stuckaturen wachsen aus der Architektur heraus, vergoldete Holzschnitzereien schimmern kostbar, Brunnen plätschern. Riesige Spiegelflächen vervielfältigen den traumhaften Raumeindruck. Lasne hatte einen ganzen Trupp von Malern und Bildhauern engagiert, um diese Kulisse für einen gelungenen Auftritt der großstädtischen Gesellschaft zu schaffen.

Damit nicht genug. Zwanzig weitere opulent ausgestattete Salons und Festsäle laden zu geschlossenen Gesellschaften ein: die Rokoko-Säle, wie der Große Kramersaal oder die Prinzensäle mit dem Bacchuszimmer, der Schlachten-, Gemälde- oder Silbersaal, der Fürstensaal und das pompös im Louis-Seize-Stil eingerichtete Weinrestaurant Francais mit drei Salons. Dazu kommen ein Palmengarten und – für den Mann von Welt – das Rauchzimmer, eine American Bar und ein Billardsaal mit 15 Tischen.

Seinen Ruf als eines der bedeutendsten und imposantesten Kaffeehäuser Europas behält das Luitpold bis zu dem vernichtenden Bombardement 1944, durch das achtzig Prozent des Luitpoldblocks zerstört werden.

Zwar hatte es zwischendurch immer mal wieder einzelne bauliche Veränderungen gegeben und das Interieur wurde sanft dem Geschmack der Zeit angepasst. Doch nach Kriegsende musste sich das Café Luitpold komplett neu erfinden.

Dafür zuständig war der Architekt Reinhard Riemerschmid, der 1962 im Auftrag der neuen Eigentümer Paul und Marika Buchner dem Pomp den Garaus macht. Das zeigt sich zunächst in der Dimension: Das Café ist auf 500 Plätze verkleinert. Vor allem aber signalisiert das reduktionistische Ambiente, dass moderne Zeiten angebrochen sind. Wo früher Putten prangten, gibt jetzt funktionale Sachlichkeit den Ton an. Viel bewundert: Die Essbar im American Grillroom, an der die Gäste auf hohen Drehhockern mit Rückenlehnen dem Rotisseur beim Zubereiten der Speisen zuschauen können. Die nüchterne Neuinterpretation des Konzeptes Kaffeehaus wurde im Laufe der kommenden Jahrzehnte verwässert. Ein großer Umbau im Jahr 1989 brachte gar wieder opulente Formulierungen ins Spiel, allen voran der Palmengarten, der von glänzendem Marmor gefasst und von einer großen Glaskuppel überdacht wird. Den Palmengarten gibt es noch heute – als Bestandteil einer Gesamtarchitektur, die das Konzept Kaffeehaus neu denkt. Die Architekten Demmel und Hadler haben historische und moderne Zutaten vereint und einen Ort des Austauschs und der Entspannung für anspruchsvolle Großstädter aller Generationen geschaffen.

Die Vielfalt der unterschiedlich gestalteten Räume und Säle war schon das herausragende Merkmal der ursprünglichen Architektur gewesen. Das fanden Demmel und Hadler gleich zu Beginn ihrer Auseinandersetzung mit der reichen Geschichte des Luitpold heraus.

Und so vereinten sie historische Zitate und modernes Lounge-Interieur zu einer Architektur, die dem Kaffeehaus des 21. Jahrhunderts die passende Form gibt. Ende 2010 war es so weit. Das Luitpold hatte sich gehäutet. Es präsentiert sich seither – zusammen mit dem Palmengarten – als Ensemble von vier großen funktionalen Publikumsbereichen. Eine monumentale Wende-Theke, deren Abstellfläche weich mit Zinn ummantelt ist, teilt den ersten Raum in die Bereiche Verkauf und Genuss. Auf der einen Seite ist die Theke Kuchenauslage für tausend Törtchen und Gebäck aller Art. Hier ist der Verkaufsbereich, luftig und hell, mit ellenlangen, sanft geschwungenen Schauvitrinen, in denen Pralinés und Marmeladen wie kleine Artefakte ausgestellt sind.

Auf der anderen Seite herrscht Clubatmosphäre – viel dunkles Holz, Fischgrätparkett aus Eiche, braune Lederbänke und Caféhausstühle. Jetzt ist das Luitpold auch abends geöffnet und an der Bar werden Cocktails gemixt. Dahinter befindet sich der Gang zur offenen Küche: Wie bereits in den Sechzigerjahren kann hier den Köchen bei der Zubereitung der Speisen über die Schulter geschaut werden.

Neben dem Barraum ist, durch eine Glaswand abgetrennt, ein Bereich entstanden, der in seinem Grundriss dem Vestibül des ehemaligen Palastcafés entspricht und es in seiner Architektursprache zitiert: Die kassettierte Decke, die kannelierten Ziersäulen und die filigranen Pilaster mit ihren korinthischen Kapitellen erinnern an das Vorbild aus der Gründerzeit. Sie gliedern den strahlend weißen Raum und schaffen intime Nischen für ein Candle-Light-Dinner. Besonders liebevoll: Im Eingangsbereich des Vestibüls, in den Toiletten und hinter der Bar sind historische Zementfliesen verarbeitet. Um die Jahrhundertwende waren sie im Eingang der Brienner Straße 11 verlegt.

Text: Jutta Göricke

Aus dem Magazin: Architektur und Kunst im Luitpoldblock