Wenn plötzlich die libanesische Delegation anreist.

Eine oft auffällige Eigenschaft von Blumengeschäften ist, sich einer gewissen Sparte des Berufes anzupassen und sich im Laufe der Zeit einen "Namen" mit ihrer Arbeit zu machen.

Geschäfte in Friedhofsnähe schreiben sich die Trauerfloristik zu, es gibt solche die sich auf Hochzeiten fixieren, oder andere, die sich dem großen Laufkundengang anpassen. Flor & Decor hat sich im Laufe der Jahre auf die Hotel- und Eventbranche spezialisiert. Ich möchte Ihnen dieses Mal von der Bereicherung und den Tücken erzählen, die unsere tägliche Zusammenarbeit mit Grandhotels mit sich bringt.

Mein Wecker klingelt um 5 Uhr. 6 Uhr Morgens ist mein eigentlicher Arbeitsbeginn, aber man möchte schließlich auch noch eine Kleinigkeit frühstücken und einen schnellen Kaffee auf dem Weg in die Arbeit herunterstürzen. Kurz bevor ich im Geschäft ankomme, sehe ich aus Distanz bereits eine geöffnete Ladentür und eine Aufreihung von Vasen und Tischchen vor dem Geschäft. Heute tauschen wir die Blumendekoration in der Haupthalle eines der renommiertesten Grandhotels von München aus, oder wie wir es nennen: „Lobbychange im Hotel“. Das Hotel – bei uns bereits als Eigenbegriff etabliert – erzeugt schon eine gewisse Demut vor der bevorstehenden Aktion und den Aufwand den wir betreiben, um dessen Anforderungen gerecht zu werden.

Eine ganz spezielle Anspannung macht sich breit als beide Chefs nahezu zeitgleich am Geschäft vorfahren, schließlich müssen beide Fahrzeuge ausgeladen werden die nahezu berstend mit Blumen gefüllt sind, welche wir für den anstehenden Wechsel und den täglichen Bedarf benötigen. Zu dritt wird gerannt, alles vorübergehend in Eimer gestellt und mit Wasser versorgt. Zwei Leute kümmern sich anschließend um die „Telefonzentrale“ und den „Lift“ während ein anderer den „Front Desk“ anfertigt. Diese Positionen können wir meistens im Voraus bearbeiten, um sie dann einfach an ihren Platz zu stellen.

Der Rest des Teams bereitet die Blumen für das „Centerpiece“ vor, welches das größte und zentral in der Lobby platzierte Arrangement darstellt. Lange Blumen und Vasen mit einer Gesamthöhe von oft 1,80 m, um Fernwirkung zu erzielen, müssen wir meist getrennt transportieren und vor Ort zusammensetzen, weil sie aufrecht nicht auf die Ladefläche des Transporters passen.

Während das Auto beladen und die hochwertigen Blumen und Vasen gesichert werden, befindet sich ein Kollege bereits auf dem Weg ins Hotel, um uns dort am Lieferanteneingang anzumelden und die alten Arrangements von den Flächen zu entfernen.

Bei der Ankunft des Transporters muss es nun schnell gehen. Die fertigen Werke werden positioniert und das Centerpiece am Platz zusammengesetzt und zurechtgerückt. Mit zwei Gießkannen wird nun Wasser aufgegossen und akribisch nach abgefallenen Blütenblättern gesucht und diese entfernt. Wassertropfen auf dem edlen Mobiliar werden abgewischt und anschließend das Housekeeping und die hoteleigenen Reinigungskräfte konsultiert.

Einen Großteil der Zeit für so einen Lobbychange nimmt die Vorbereitung in Anspruch. Der eigentliche Wechsel im Hotel selber läuft oft schon in einer halben Stunde ab – alles natürlich in absoluter Diskretion und Schnelligkeit, um niemanden der dort eincheckenden und logierenden Hotelgäste zu lange zu stören.

Dieser logistische Aufwand ist nur mit einem gut eingespielten Team und einer Arbeit Hand in Hand möglich, schließlich liegt unsere Deadline bei einem Wechsel immer bei 8:30 Uhr.

Im weiteren Laufe des Tages erhalten wir die Bestellung für die Blumen in den gebuchten Suiten, die je nach Priorität oft größer oder kleiner ausfallen kann. Im besonderen Fall – leider für alle Parteien mit viel Stress verbunden – reisen manchmal VIP’s oder politische Delegationen ohne Ankündigung an. Meistens können wir durch unsere meist großen Blumeneinkäufe die dafür benötigten Setups (mehrere Blumenpositionen in einem Suite z.B. Badblumen, Couchtischdekoration etc.) stemmen. Es passiert aber oft, dass ein Teil unserer Geschäftsleitung in panikartiger Manier das Geschäft mit einem „Bye, bis gleich“ verlässt, um Nachschub aus dem Blumengroßmarkt zu organisieren.

Unser Zeitrahmen für die Anfertigung des Blumenschmucks beläuft sich oft auf ein bis zwei Stunden und ich frage mich selbst bei der Fertigstellung manchmal, wie wir das wohl wieder vollbracht haben. Denken Sie mal darüber nach, man würde in einer Stadt als Hotelflorist arbeiten, in der auch noch Events wie die Sicherheitskonferenz abgehalten wird – unvorstellbar!

Größere Blumenwechsel im Hotel finden noch im Restaurant und der Vorlobby statt, welche wir aber aus Zeit- und Aufwandsgründen vom großen Lobbychange trennen müssen. Außer es kommen – Sie erraten es – spontan besondere Persönlichkeiten, wie eine Königsfamilie zu einer Audienz vorbei, weswegen mein Wecker oft noch früher (und öfter) klingelt, und wir alles und jeden Winkel in eine Opulenz hüllen dürfen. Ein komplettes „repaint“ und „recarpet“ quasi.

Es mag sich zwar nach einer unsäglichen Plagerei anhören, allerdings ist gerade dieser Aufwand und die Blumenmengen, die wir für solch einen Kunden in Form bringen, eine immer bereichernde Erfahrung. Schließlich können wir, sobald alles an seinem Platz steht und vor Pracht nur so strotzt, mit Stolz behaupten die Haus- und Hoffloristen des Hotels zu sein.

Euer Mario von Flor & Decor