Interview mit Christoph Keller

Auf dem Höhepunkt seiner Destillateur-Karriere erschüttert eine Nachricht die Szene und versetzt viele Liebhaber edler Brände in Aufruhr: Christoph Keller hört einfach auf! Ganz nach der alten Weisheit „Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist!“, hat Keller einen Schlussstrich gezogen. Aber: Die letzten Flaschen sind in unserem Block im: Pop Up – Shut Down! Flagship Store und Schnapsbar erhältlich!

Christoph Keller – deutscher Verleger, Buchgestalter, Ausstellungsmacher und Schnapsbrenner – wird als Destillateur zur „Legende“, inspiriert eine ganze Generation von jungen Schnapsbrennern, belebt ein altes Handwerk mit neuen Ideen und einer völlig neuen Qualitätsstufe. Dabei bleibt er immer auf dem handwerklichen Boden einer alten Kulturtradition und vertritt individuelle Produkte, welche die Liebe zur Natur und das Verständnis für deren Vielfalt widerspiegeln.

Und dann, auf dem Höhepunkt seiner Destillateur-Karriere erschüttert eine Nachricht die Szene und versetzt viele Liebhaber edler Brände in Aufruhr: Christoph Keller hört einfach auf! Ganz nach der alten Weisheit „Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist!“, hat Keller einen Schlussstrich gezogen. Aber: Die letzten Flaschen sind in unserem Block im:

Pop Up – Shut Down!
Flagship Store und Schnapsbar
im Luitpoldblock erhältlich!

Bereits im Dezember 2017 haben wir uns mit Christoph über seinen Entschluss aufzuhören unterhalten:

Welcher Pfad hat Dich zum Destillateur gemacht?

Der Zufall. Wir haben damals mit zwei kleinen Kindern in Frankfurt gelebt und wollten ein anderes Leben. Ohne dogmatische Vorstellungen und ohne Hippie oder Selbstversorger werden zu wollen. Es gab einfach eine klare Sehnsucht nach Land und Natur. Nach einem Jahr Suchen haben wir die Mühle gefunden. Und wir waren keine zehn Tage eingezogen, da stand hier der Zoll vor der Tür und hat gesagt: Also, Sie haben hier ein Brennrecht mit erworben, wenn Sie hier nichts brennen, dann verfällt das.

Und dann?

Das war dann der Anreiz das Brennen mal zu versuchen. … Das Brennen ist dann schnell zu einem Hobby geworden – und dann zur Leidenschaft. Und dann wurde es immer obsessiver und irgendwann konnte man nicht mehr sagen: Ich mach‘ das nebenbei. Da musste man dann sagen: Ich mach‘ das hauptberuflich. Der Weg dahin war toll. Wir mussten ja zunächst einmal alles aufbauen und erlernen, alleine das Grundwissen über Natur und Früchte. Wir wussten ja nix! Dafür hatten wir viel Ruhe. …

Das hat sich dann aber sicher schnell verändert, weil Du mit Deinen naturreinen Schnäpsen ja regelrecht berühmt geworden bist.
Ja.

Nun hast Du das Brennen endgültig aufgegeben. Hörst Du auf, …

Vor allem nervt mich das Delegieren und das Administrative, das ja dann irgendwann zu so einem Betrieb wie unserem dazu gehört… Irgendwann scheint alles einem kapitalistischen Wachstums-Prinzip unterworfen zu sein – und solche Mechanismen nerven noch viel mehr als fehlende Ruhe!

Eine starke Entscheidung. Die zu treffen stelle ich mir schwierig und mutig vor.

Naja. Das soll nicht überheblich klingen, aber der sportliche Ehrgeiz ist da auch so ein bisschen weg. Ich hab‘ mittlerweile mehr als 700 Rohstoffe destilliert. Die Frage, was kann man da noch kreieren oder was wollen wir hier noch raus ziehen stellt sich nicht mehr so oft. Sprich: Mir gehen einfach ein bisschen die Abenteuer aus. Und ein bisschen Abenteuer brauch’ ich. Ansonsten fühle ich ganz stark, dass ich mit meinem Streben nach höchster Qualität auch den Zenit überschritten habe. Besser als das, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, kann ich nicht mehr – und dann macht es auch keinen Sinn, noch weiter zu machen. Außerdem bin ich ein sehr einfacher Mensch, was meine Bedürfnisse angeht. Und auch das kollidiert mittlerweile ein bisschen mit dem, was ich tue.

Inwiefern?

Ich arbeite in einer Welt, in der es um die ständige Verfeinerung des Lebens und krankhafte Optimierung des Lebensstils geht. In diesem Luxus-Kulinarik-Metier geht es immer darum, wie man’s noch besser machen – noch exklusiver essen, noch einzigartiger Trinken … kann. … Aber ich persönlich bin eher der rustikale Typ: Ich esse abends gern ein Wurschtbrot.

Ist das für Dich ›nur‹ eine Erkenntnis oder etwas, was Dich auch belastet oder traurig macht?

Naja, am Anfang ging es mir um das regionale Erbe: Obstbrände. Das ist ja unsere große Alkoholtradition in den Alpenländern. Die Schotten haben Whisky, Mexiko hat Tequila, die Karibik hat den Rum – wir haben Obstbrände. Das ist ein wahnsinnig großes, wichtiges Kulturgut. Ich finde das geschichtlich sehr spannend, habe es kennengelernt und verstanden. Und dann habe ich auch begriffen, wie die Industrie das macht. Nämlich mit viel Nachhilfe – Synthetik, Chemie, Zucker usw. Ich habe erkannt: Wenn ich das Ganze traditionell und natürlich machen will, dann ist das wahnsinnig teuer. Das war für mich die erste Frustration. So ein Obstbrand kostet bei uns im Schnitt 75 Euro. Im Supermarkt stehen Kirschwasser für 10 Euro…

Interview von Jörg van den Berg
aus: Luitpoldblatt, Dezember 2017